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Denkexkurs als PDF

Der aktuelle Denkexkurs von Dr. phil. Wilfried Grenz als PDF zum Download.

Denkexkurs 74

Der Unterschied von Schwäche und Schwachheit besteht darin, dass die Schwäche eine personalisierte schlechte Eigenschaft oder ein fehlendes Können darstellt. Während die Schwachheit die Geltungslosigkeit in den Fokus rückt.

So gibt es auch das Leben im Abseits der sozialen Geltungslosigkeit als Mitglied in der Gruppe der ‚Schwachen in der Gesellschaft‘. Zwar stimmt es, dass die Schwachen auf Schutz der Starken angewiesen sind. Aber es besteht die Gefahr, dass sie nur als Objekte der Versorgung wahrgenommen werden. Damit der Starke für sich selbst das gute Gefühl erarbeitet, sozial engagiert gewesen zu sein.

Ich kenne einen jugendlichen Menschen mit Down-Syndrom, der oft ein T-Shirt trägt, auf dem der Satz stand:

Ich bin nicht einfach behindert, sondern ich werde behindert, weil ich anders bin!

Die anderen können nicht mit seiner speziellen Kompetenzsituation umgehen, also versuchen sie ihm aus dem Weg zu gehen. Oder wie bei mir, wo immer wieder meine Umgebung versuchte, mich aus dem Abseits der Linkshänder-Inkompetenz abzuholen und zu integrieren. Wobei der Integrationsprozess oft nur Erziehungsmaßnahmen beinhaltet.

  • • Als Linkshänder wurde ich von meiner Oma stets darauf hingewiesen: Nimm die Tasse in das schöne – eben das rechte – Händchen.
  • • Im Gymnasium musste ich mit rechts schreiben: Da sonst die Tinte durch die Hand verschmiert wird…
  • • Noch heute passiert es immer wieder: Der Kellner gießt mir Wein ein und stellt das Glas demonstrativ von der linken auf die rechte Seite vor meinen Teller.

Für das Leben mit meiner gesellschaftlichen Schwachheit als ‚linker Typ‘ bekomme ich den tröstenden Hinweis von Paulus im Römerbrief:

Gottes Geist hilft unserer Schwachheit auf!

Auch für Menschen ohne Religiosität ist es ein zielführender Hinweis, denn Gott kann einfach als eine interne oder externe Unterstützung definiert werden.

Entweder von innen heraus als Rückgrat – so wie es in dem Film ‚Der lange Marsch‘ 1990 dargestellt wurde. Der Nordafrikaner Isa El-Mahdi organisiert einen Marsch von Flüchtlingen aus sudanesischen Flüchtlingslagern nach Europa. Seine Hoffnung bei der Organisation dieses Marsches:

Wir glauben, wenn ihr uns vor euch seht, werdet ihr uns nicht sterben lassen.
Deswegen kommen wir nach Europa. Wenn ihr uns nicht helft,
dann können wir nichts mehr tun, wir werden sterben,
aber wir sterben vor eurer Haustür und ihr werdet zusehen, wie wir sterben.

Oder von aussen her – so wie sich die Arche in Hamburg ganz konkret um Kinder kümmert und sie dabei unterstützt, ihrer gesellschaftlichen Schwachheit entgegenzutreten, stark zu werden und individuelle Wege aus dem Abseits heraus zu entwickeln.

Der Leiter Tobias Lucht beschreibt ihr Angebot so: Es ging mit einem Mittagstisch, Hausaufgabenhilfe und verschiedenen Freizeitangeboten los. Aber am wichtigsten war es uns, den Kindern ihren Wert zuzusprechen. Zu sagen:

Du bist wertvoll. Wir freuen uns, dass Du gekommen bist. Und wer bist Du überhaupt?

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